Lehrkräftemangel betrifft alle Schulen. Bisherige Werbekampagnen des Freistaates sind einseitig auf SiöT fokussiert. Wie wollen Sie die Verantwortung des Freistaats für die personelle Sicherung der Bildung an allen Schulen konkret umsetzen?
Antwort:
Schulen in freier Trägerschaft sind ebenso wie solche in öffentlicher Trägerschaft vom Lehrkräftemangel betroffen. Die Werbekampagnen des Freistaates zielen insgesamt auf die Gewinnung von grundständig ausgebildeten Lehrkräften und Seiteneinsteigenden für Sachsen ab und differenzieren nach Bedarfen entsprechend Region, Schulart und Fächern, nicht nach Trägerschaft. So werden Stellenangebote freier Träger ebenso auf den Seiten des Kultusministeriums veröffentlicht wie der Link zum Bewerbungsportal für den staatlichen Schuldienst. Gleiches gilt für das Praktikumsportal für Lehramtsstudierende, in dem Schulen in freier Trägerschaft ebenso als mögliche Einsatzorte gelistet sind wie staatliche Schulen. Selbstverständlich werden an den lehramtsausbildenden Universitäten Lehrkräfte für alle Schulen ausgebildet, unabhängig von der Trägerschaft, und die Plätze für Studierende im 1. Semester wurden auf inzwischen 2.700 erhöht, um langfristig den Bedarf an allen Schulen decken zu können. Für uns BÜNDNISGRÜNE steht fest: Es darf keine Abwerbeversuche seitens staatlicher Schulen oder der Schulbehörden zulasten von Schulen in freier Trägerschaft geben. Der Wettbewerbsvorteil der Verbeamtung an Schulen in öffentlicher Trägerschaft lässt sich nicht gänzlich ausgleichen, zumindest aber muss es eine auskömmliche Finanzierung freier Schulen und eine umfassende Beurlaubungsregelung geben, damit auch freie Träger ausreichend Lehrkräfte auf dem angespannten Arbeitsmarkt für sich gewinnen und binden können.
Freie Schulen können den Wettbewerbsvorteil der Verbeamtung zur Lehrkräftegewinnung nicht nutzen. Wie steht Ihre Partei zur Möglichkeit, die Abordnung/Beurlaubung von verbeamteten Lehrkräften an freie Schulen auf Wunsch der Lehrkräfte längerfristig möglich zu machen. Anpassung § 19 SächsFrTrSchulG?
Antwort:
Wir BÜNDNISGRÜNE unterstützen eine Ausweitung der Beurlaubungsoption, die in § 19 SächsFrTrSchulG normiert ist. In den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2021/22 haben wir uns für eine Verlängerung von drei auf fünf Jahre eingesetzt, was jedoch keine Zustimmung fand. Neben einer längeren Zeitspanne für die Beurlaubung sollte aus unserer Sicht auch das Verfahren der „Freigabe“ von Beamtinnen und Beamten erleichtert werden und stärker auf deren Wunsch nach einer Tätigkeit an einer freien Schule abstellen.
Der Faktor 0,9 bei der Berechnung der Personalkosten in § 14 SächsFrTrSchulG benachteiligt SifT, da sie im Wettbewerb um Lehrkräfte kaum untertariflich vergüten können. Siehe auch das Gutachten der Staatsregierung für den Bericht nach § 14 (6) FrTrSchulG. Wie positionieren Sie sich dazu?
Antwort:
Wir BÜNDNISGRÜNE fordern unverändert die Streichung des sogenannten Absenkungsfaktors von 0,9 bei der Berechnung der Personalausgaben-Zuschüsse für Schulen in freier Trägerschaft. Bereits bei Verabschiedung des novellierten SächsFrTrSchulG haben wir auf eine auskömmliche Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft gedrängt. Wir teilen die Einschätzung, dass es sich freie Träger angesichts der Lage auf dem Lehrkräfte-Arbeitsmarkt nicht leisten können, Lehrerinnen und Lehrer unter Tarif zu bezahlen. Faktisch stellt der Absenkungsfaktor freie Schulen vor die Wahl, entweder ihre Lehrkräfte angemessen zu bezahlen oder auf ein Schulgeld zu verzichten. Das ist aus unserer Sicht nicht tragbar.
Das Versprechen der Sicherstellung der Schulsozialarbeit an allen Oberschulen wurde hinsichtlich freier Oberschulen gebrochen. Wie wollen Sie diese Ungleichheit aufheben und überhaupt die Schulsozialarbeit (für alle Schularten, auch im berufsbildenden Bereich) weiter ausbauen?
Antwort:
Schulen in freier Trägerschaft sind ein fester, integraler Bestandteil des sächsischen Bildungssystems. Sie nehmen gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahr, profitieren aber nicht in gleichem Maße von staatlichen Förderprogrammen, Projekten und Maßnahmen. Der Teilhabeanspruch im SächsFrTrSchulG muss erweitert und auch gelebt werden. Das zeigt sich gerade am Beispiel der Schulsozialarbeit. Wir BÜNDNISGRÜNE fordern seit dem Start des Landesprogramms die vollständige Finanzierung einer Personalstelle auch an Ober- und Gemeinschaftsschulen in freier Trägerschaft und insgesamt eine angemessene Berücksichtigung der Schulen in freier Trägerschaft bei der Fördermittelvergabe in den Landkreisen und kreisfreien Städten, etwa durch Verteilung der Fördermittel nach Schüler*innenzahl. Sofern Schulen in freier Trägerschaft nicht verbindlich und gleichberechtigt im Landesprogramm berücksichtigt werden, müssen sie einen finanziellen Ausgleich erhalten. Die Förderrichtlinie Schulsozialarbeit soll außerdem einen zweijährigen Bewilligungszeitraum vorsehen und sich an Schul- statt an Kalenderjahren ausrichten, um Konstanz in der Arbeit vor Ort zu ermöglichen und Personalfluktuation einzudämmen. Mit den regionalen Gesamtkonzepten in der Schulsozialarbeit und der Stärkung der Beratungsfunktion des Landesjugendamtes sind Schritte zu einer qualitativen Weiterentwicklung aufgezeigt, weitere müssen folgen, insbesondere mehr Fort- und Weiterbildung sowie Maßnahmen zur Sicherung der Fachstandards, die auch in der Praxis ankommen. Das Gesamtbudget für das Landesprogramm Schulsozialarbeit muss deutlich erhöht werden. Dabei ist und bleibt Schulsozialarbeit eine gesetzlich geregelte Leistung der Jugendhilfe und damit eine kommunale Pflichtaufgabe. Eine Vollfinanzierung der Schulsozialarbeit durch das Land war und ist nicht unser Ziel. Wir drängen darauf, dass sowohl in der örtlichen Jugendhilfeplanung als auch landesseitig bei einem Ausbau der Schulsozialarbeit die tatsächlichen Bedarfe vor Ort stärker berücksichtigt werden, weniger die Schulart oder gar die Trägerschaft einer Schule. Sozialpädagogische Unterstützung an Schulen ist wichtiger denn je. Das gilt auch für berufsbildende Schulen. Wir unterstützen Forderungen nach einer Änderung und einer erhöhten finanziellen Ausstattung der diesbezüglichen Zuweisungsverordnung (BVJZuwVO).
Der Freistaat hat „Schulgeldfreiheit“ in einigen Ausbildungsberufen eingeführt, jedoch ungleich und willkürlich. Wie positioniert sich Ihre Partei zu einer transparenten und dynamischen Schulgeldfreiheit für alle beruflichen Ausbildungsgänge?
Antwort:
Wir teilen die Kritik, dass die Schulgeldfreiheit für ausgewählte schulische Ausbildungsberufe im Grunde belegt, was stets bestritten wurde und noch immer bestritten wird: dass die Finanzierung von allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in freier Trägerschaft nicht so auskömmlich ist, dass tatsächlich auf ein Schulgeld verzichtet werden kann. Eine auskömmliche Finanzierung freier Schulen, insbesondere durch Streichung des Absenkungsfaktors bei der Berechnung der Personalausgaben-Zuschüsse, bleibt unser Hauptaugenmerk. Dennoch sehen wir es als legitim an, wenn der Freistaat durch Ausbildungszuschüsse – nicht anderes ist die derzeitige Form der „Schulgeldfreiheit“ – die Ausbildung in bestimmten (Mangel-)Berufen gezielt fördert, derzeit insbesondere Pflegefachkräfte (über Ausbildungsfonds), Erzieherinnen, Heilerziehungspflegerinnen sowie die Gesundheitsfachberufe Ergo-, Logo- und Physiotherapie (über Zuschüsse). Perspektivisch sollten aus unserer Sicht auch die Ausbildungsgänge Sozialassistentin sowie (Kranken-)Pflegehelferin einen Zuschuss erhalten, damit kein Schulgeld mehr erhoben werden muss. Eine Anhebung der Ausbildungszuschüsse findet unsere Unterstützung und sollte im Zuge der kommenden Haushaltsverhandlungen geprüft werden.
Bisher muss jeder berufliche Ausbildungsgang wie eine Schulneugründung neu genehmigt werden. Dies ist mit einer Schulfremdenprüfung zum Nachteil der SuS und mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden. Wie stehen Sie zu einer Neuregelung des Genehmigungsverfahrens in § 4 Abs. 2 Nr. 3 FrTrSchulG?
Antwort:
Wir unterstützen das Anliegen, die Neueinrichtung eines Ausbildungsgangs nicht wie eine Schulneugründung zu behandeln, die eine (erneute) Wartefrist mit verminderter staatlicher Finanzierung, Schulfremdenprüfungen und hohen Aufwand nach sich zieht. Bereits zur Novellierung des SächsFrTrSchulG haben wir vorgeschlagen, eine „Bewährte-Träger-Regelung“ aufzunehmen. Diese sollte greifen, wenn ein Träger die Wartefrist nach einer Schulneugründung bereits erfolgreich absolviert und durch mehrjährigen Betrieb einer bzw. mehrerer Schulen oder Ausbildungsgänge seine Eignung nachgewiesen hat. Aus unserer Sicht ist die Erweiterung um einen beruflichen Bildungsgang – ebenso wie eine Standorterweiterung oder ein -wechsel – nicht gleichbedeutend mit einer Errichtung einer Schule. Dies gilt mindestens für die Erweiterung um einen beruflichen Bildungsgang, zumal wenn es, was häufig der Fall ist, eine inhaltliche Nähe der Ausbildungsgänge gibt (z.B. Ausbildung von Erzieherinnen, dann Erweiterung um den Bildungsgang Heilerziehungspflegerin).
Welche Schritte wollen Sie unternehmen, um künftig Verwaltungsabläufe, Datenerfassung/-übermittlung und die Kommunikation mit freien Schulträgern und deren Schulen digital und effektiv zu gestalten?
Antwort:
Wir BÜNDNISGRÜNE haben stets für einen offenen, wohlwollenden Umgang mit Schulen in freier Trägerschaft geworben. Wir hatten uns mit Regierungsantritt vorgenommen, die Voraussetzungen und Verfahren der Genehmigung von Schulen in freier Trägerschaft transparenter und einheitlicher zu gestalten. Hier sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Alle Formulare betreffend Genehmigung, Anerkennung und Finanzierung freier Schulen wurden in einer Online-Portallösung zusammengeführt. Zudem gab es eine Umstrukturierung im Landesamt für Schule und Bildung, auch um die Beratung und Begleitung für freie Schulen zu verbessern. Im SächsFrTrSchulG konnten wir verankern, dass sowohl die bedarfserhöhenden Faktoren als auch die Sachausgaben schuljährlich ermittelt und mittels Rechtsverordnung aktualisiert bzw. angepasst werden. Die Umstellung auf eine doppische Haushaltsführung wird absehbar einen weiteren Beitrag zur Transparenz leisten und die Vergleichbarkeit der Kosten pro Schüler*in an Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft erhöhen. Neben dem direkten Austausch und der regelmäßigen Information freier Träger etwa zu ausgesandten Schulleiterschreiben sollten freie Schulen einen gleichberechtigten Zugang zum Schulportal erhalten.
Die pädagogische Freiheit freier Schulen findet ihre Grenzen am unzeitgemäßen Bildungsauftrag. Mit „Bildungsland Sachsen 2030“ liegen entsprechende Vorschläge auf dem Tisch. Wie wollen Sie den Bildungsauftrag und die Schulen an die gesellschaftlichen Herausforderungen (digitale Revolution) anpassen?
Antwort:
Der Prozess „Bildungsland Sachsen 2030“ ist noch nicht abgeschlossen, derzeit erstellt das Kultusministerium ein Gesamtkonzept in Auswertung der Experten- und regionalen Foren (im April sollen Vorschläge vorliegen). Wir haben diesen Beteiligungsprozess ausdrücklich begrüßt und drängen nun darauf, dass die Maßnahmen zur Weiterentwicklung des sächsischen Schulsystems auch umgesetzt werden – für moderne, gerechte und demokratische Schulen. Der Bildungsauftrag gemäß Sächsischem Schulgesetz ist aus unserer Sicht dabei relativ zeitlos formuliert. Er stellt auf persönliche und soziale Kompetenzen ab, auf Alltags- und Lebenskompetenz, auf Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung, Wertebildung, Selbstbestimmung und Inklusion. Daran gilt es festzuhalten. Gleiches gilt für den Fokus auf Basiskompetenzen und die länderübergreifend definierten Bildungsstandards. Was sich hingegen weiterentwickeln muss, sind vor allem die Inhalte und Methoden, aber auch die Lern- und Prüfungskultur. Schule muss mit dem digitalen und gesellschaftlichen Wandel Schritt halten. Dafür gehören Lehrpläne, Stundentafeln, innere und äußere Schulorganisation sowie Unterrichts- und Schulentwicklung auf den Prüfstand. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen kompetenzorientierte Rahmenlehrpläne und einen selbstverständlichen Umgang mit Heterogenität und Vielfalt. Schulen, auch solche in öffentlicher Trägerschaft, sollen eigenverantwortlich agieren können und mehr organisatorische, personelle und finanzielle Freiheiten erhalten. Digitale Tools gehören für uns untrennbar zu einer modernen Schule, ebenso wie Medien- und digitale Kompetenz zu einem ganzheitlichen Bildungsverständnis. Dies umfasst die selbstbestimmte, reflektierte Nutzung von Medien, ihren kreativen und konstruktiven Einsatz, die Fähigkeit, Informationen kritisch zu prüfen und einzuordnen sowie Wissen um Verbraucher- und Datenschutzbelange. Auf Bundesebene setzen wir uns für einen DigitalPakt 2.0 ein.
Assistenzkräfte werden im Rahmen multiprofessioneller Teams künftig eine größere Rolle an Schulen spielen. Welche Pläne hat Ihre Partei, um diese Kräfte unbürokratisch und ausreichend an Schulen zu verankern und dabei freien Trägern zu ermöglichen, diese Assistenzkräfte auch selbst anzustellen?
Antwort:
Wir BÜNDNISGRÜNE begrüßen die Etablierung und Ausweitung des Assistenz- und Unterstützungssystems an Schulen. Multiprofessionelle Teams entlasten zum einen die Lehrkräfte und ermöglichen zum anderen einen ganzheitlichen Blick auf die/den einzelnen Schülerin. Wir wollen, dass es an jeder Schule mindestens einen Schulassistentin gibt. Für diese Assistenzkräfte fordern wir eigene Stellen im Haushaltsplan des Freistaates, statt sie auf nicht besetzten Stellen für Lehrkräfte zu führen. Analog zum Verfahren bei den Schulverwaltungsassistent*innen sollten Schulen in freier Trägerschaft bei einem Ausbau des Assistenzsystems einen finanziellen Ausgleich über den Schülerausgabensatz und damit die Möglichkeit erhalten, Assistenzkräfte selbst anzustellen.
Welche Pläne hat Ihre Partei, um allen Schulen den sicheren und kostenfreien Zugang zu digitalen Lernangeboten, am besten über eine adaptive KI-gestützte Lernplattform zu ermöglichen, ohne dabei Verantwortungs- und Freiräume einzuschränken?
Antwort:
Wir BÜNDNISGRÜNE werben dafür, (zumindest älteren) Schüler*innen den Einsatz von KI zu ermöglichen, da dies auch einen Beitrag zur Stärkung ihrer Medienkompetenz leistet. Dabei legen wir Wert auf die pädagogische Zielsetzung und den entsprechend gezielten Einsatz des Angebotes. Wenn es das pädagogische Ziel ist, KI zur Verfügung zu stellen, sehen wir die Option, ein entsprechendes Tool in die Sächsische Lernplattform LernSax zu integrieren. Dabei ist in unseren Augen dringend geboten, ein Tool auf Basis von Open Source Modellen anzubieten. Nur so kann der Freistaat garantieren, die Plattform selbst unabhängig zu betreiben, die Datenverarbeitung zu steuern und die Datensicherheit zu gewährleisten. Dabei ist der Zugang für Schulen in freier Trägerschaft zu allen Angeboten von LernSax sicherzustellen.
Die Antwort als Original-PDF finden Sie hier: Antwort GRÜNE